Röhren- oder Transistor-Endverstärker

Die wirkungstechnischen Unterschiede

1. Leistungsanpassung

Ein Endverstärker ist dazu da, ausreichende Wechselstromleistung an den Verbraucher z.B. an Lautsprecher-Boxen zu liefern.Dabei kommt es auf eine geeignete Anpassung des ausgangsseitigen Verstärker-Innenwiderstandes Ri an den Lastwiderstand, z.B. den Boxenwiderstand, an. Hat man diese Anpassung nicht, dann wird im Endverstärker zu viel Leistung in Wärme umgesetzt, aber sie wird nicht an den äußeren Verbraucher-Widerstand Ra, z.B. an die Boxen, abgegeben.

Zwei Fälle sind bei der Leistungsanpassung zu unterscheiden:
1) Der Innenwiderstand des Verstärkers Ri ist endlich und fest vorgegeben.
2) Der Innenwiderstand des Versärkers Ri ist nahezu Null.

Die Strom- und Spannungs-größen I und U sind Effektivwerte von Wechselstrom und Wechsel-spannung. Effektivwerte sind Amplituden geteilt durch die Wurzel aus 2, also durch 1,414.

Links der Verstärker ohne angeschlossenen Lastwiderstand Ra, man sagt er sei im Leerlauf. In diesem Falle misst man die ganze innere Leerlaufspannung Ul an den außen zugänglichen Klemmen. Es fließt kein Ausgangsstrom: I=0.
Rechts der Verstärker mit angeschlossenem Lastwiderstand. Der Ausgangsstrom ist jetzt Ia = Ul / (Ri+Ra). Und am Lastwiderstand Ra misst man die Spannung Ua = Ul Ra / (Ri+Ra).

Nun zu 1) Der Innenwiderstand des Verstärkers Ri ist endlich; dann erhält man am Lastwiderstand gemäß Ua und Ia die Leistung Pa:

(1)            Pa = Ua · Ia = Ul2Ra / (Ri+Ra)2.

Die Berechnung zeigt, dass die Leistung Pa im Lastwiderstand dann ein Maximum wird, wenn Ri = Ra ist. Für Lautsprecherboxen wäre dies der Fall für Ri = Ra = 4 ... 8 Ω. Diese Widerstandsanpassung ist ein Teil der Leistungsanpassung. (Für Kenner der komplexen Rechnung sei gesagt: Falls der Innenwiderstand komplex ist, also auch einen imaginären Anteil enthält, sollte bei Leistungsanpassung der Lastwiderstand den konjugiert komplexen Wert erhalten.)

Zu 2) Durch Rückkopplung eines Verstärkers (Rückführung des Ausgangssignals auf einen Eingang), die man in jedem Falle als Gegenkopplung (Gegenphasigkeit des rückgeführten Signals zum Ausganngssignal) innerhalb der Stabilitätsgrenzen anwendet, erreicht man eine größere Stabilität der Verstärkereigenschaften und eine Verringerung des ausgangsseitigen Innenwiderstandes. So wird es möglich, den Innenwiderstand Ri nahe an null Ohm heran zu bringen. Diese Verringerung des Ausgangswiderstandes Ri eines Verstärkers ist eine weitere Verbesserung der Widerstands- und damit auch der Leistungsanpassung. Für einen Ausgangswiderstand null Ohm ist die an den Lastwiderstand Ra abgegebene Leistung:

(2)            Pa = Ua · Ia = Ul2 / Ra.

Bei Ri = 0 Ohm geht das Maximum der Leistung in den Verbraucher Ra. Dies ist bei angeschlossenen Boxen auch deswegen wünschenswert, da durch Ri = 0 Ω eventuelle Eigenschwingungen von Lautsprechern optimal bedämpft werden.

Aber damit sind wir noch nicht am Ende von Leistungsanpassung. Denn zu Leistungsanpassung gehören nicht nur die Widerstände, sondern auch die Spannungen. Wir müssen daher berücksichtigen, welcher Wert der Leerlaufspannung Ul am Verstärkerausgang vorhanden ist und ob diese von Lautsprecher-Boxen verkraftet werden kann..

Wir nehmen mal an, Ul sei maximal 100 V. Dann würden im Fall 1) bei Ri = Ra und bei einem Boxenwiderstand von 4 Ω maximal 50 V an den Boxen anliegen. Die abgebbare Leistung - vorausgesetzt der Verstärker wäre dazu fähig - wäre wegen Ul2Ra / (Ri+Ra)2 gleich 2500 W. Diese Leistung liefert aber kein Endverstärker und keine Lautsprecher verkraften sie. Bei Boxen mit 8 Ω Widerstand wären es 1250 W, auch entschieden zu viel.
Im Falle 2) von Ri = 0 Ω und Ra = 4 Ω wären 2500 W gleichfalls viel zu viel. Wir haben uns daher auch mit der Verstärkerausgangsspannung Ul zu beschäftigen. Und in diesem Punkt sind Transistor- und Röhren-Endverstärker sehr verschieden von einander.

2. Transistorendverstärker

Transistoren sind aktive d.h. verstärkende Bauelemente, deren Versorgungsspannungen (= Hilfs-Gleichspannungen) in der Größenordnung von einigen 10 V liegt. Daher können auch Ausgangsspannungen z.B. die ausgangsseitige Leerlaufspannung Ul nicht größer sein als die

Versorungsspannungen. Sie werden in internen Netzteilen mit möglichst guter Aussiebung der Wechselanteile erstellt.

Das nebenstehende Bild zeigt eine typische Transistor-Endstufe in Gegentaktschaltung. Da die für Endstufen-Transistoren erforderliche Versorgungs-Gleichspannung die typischen Werte +30 und -30 V hat, kann die Ausgangs-Wechselspannung Ul im Effektivwert maximal knapp 30 V betragen.

Dies wird ermöglicht dadurch, dass die Transistoren T1 und T2 nichts anderes sind als gesteuerte Widerstände. Steuerelemente sind die auf vielfältige Weise möglichen Vorstufenschaltungen, die hier nicht gezeichnet wurden. Die Endstufen-Transistoren ändern ihre Widerstandswerte derart: Wenn der untere größer wird, wird der obere kleiner und umgekehrt, so macht die Ausgangsspannung die Wechsel der Steuerspannungen mit.

Wir dürfen erfahrungsgemääß unterstellen, dass die Gesamtschaltung auch hinsichtlich eines sehr kleinen Ausgangswiderstandes Ri optimiert wurde, so dass dieser fast null Ohm beträgt. Denn R1 und R2 haben niedere Ohmwerte. Dann ist die maximal mögliche Ausgangsleistung an den Boxen bei 4 Ω unter Berücksichtigung, dass der Effektivwert der Wechselspannungen gleich Spitzenwert von 30 V dividiert durch 1,414, also etwa 20 V beträgt:

(3)            Pa = Ul2 / Ra = 400 V2 / 4 Ω = 100 W

Sind es 8 Ohm Boxen, dann erhalten wir mit obiger Rechnung gerade 50 Watt pro Kanal. Wir sehen daraus, dass die Transistorschaltungen für Lautsprecheranschluss die optimalen Größen an Ausgangsspannung und Ausgangswiderstand bieten.

Die gerade gezeigte Transistorschaltung besteht aus diskreten Bauelementen. Aber seit Jahren gibt es von allen namhaften Herstellern auch integrierte Endstufen, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften speziell zum Anschluss von Lautsprecher-Boxen optimiert sind.

3. Röhren-Endverstärker

Da Elektronenröhren fast schon antiken Charakter haben (Transistorschaltungen gibt es seit Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts), soll hier die Funktionsweise einer Endröhre erklärt werden. Die damals gängigen Endröhren waren für mittlere Leistungen besonders die EL 84 und für hohe Leistungen die EL 34. Beide Röhren und vergleichbare andere sind Pentoden. E bedeutet 6,3 V indirekte Heizung der Katode, L bedeutet Endröhre.

Pentoden heißt, dass die Röhre 5 wirksame Elektroden hat. Da ist unten die Heizung H, die noch nicht als Elektrode zählt, denn sie beheizt die wirksame Katode K, die dicht um den Glühfaden H herum gelegt ist, zum Glühen kommt und eine Elektronenwolke um sich herum bildet. Diese Elektronenwolke wird vom positiven Schirmgitter g2 (meist mit etwa 200-250 V) und von der positiven Anode (250 bis 300 V) angezogen, so dass die Elektronen von der glühenden Katode K zur Anode fliegen. Dort schlagen sie wegen ihres starken Aufpralls Sekundärelektronen heraus, die wieder zum Gitter g1 zurück kämen, wäre da nicht das großmaschige Bremsgitter g3, das an Katodenpotential liegt und fast alle von der Anode herausgeschlagenen Sekundärelektronen zur Anode zurück zwingt.

Der Hauptröhrentrom fließt von der Katode zur Anode. Er macht an Rk die Katode gegen Nullpotential (Masse) positiv und damit das Steuergitter g>sub1 wie erforderlich, negativ gegen Katode. Der richtige Katodenwiderstand ist für die Einstellung des Arbeitspunktes sehr wichtig.

Röhren ohne Schirmgitter g2 und ohne Bremsgitter g3 nennt man Trioden, da sie drei wirksame Elektroden haben. Beispiel die Vorstufentriode ECC 83, die gleich zwei Triodensysteme in sich vereinigt und daher in der Bezeichnung zweimal das C aufweist. Solche Trioden haben wegen der zurückfliegenden Elektronen eine geringere Steilheit als Pentoden. Unter Steilheit versteht man den Quotienten von Anodenstromänderung zur Gitterspannungsänderung am Gitter g1 bei konstant bleibender Anodenspannung. Denn Röhren werden praktisch stromlos durch durch die Steuerspannung Ust an g1 gesteuert. Je größer die Steilheit ist, desto größer ist die gewollte Verstärkung der Röhre.

Die nachfolgend gezeigte Schaltung ist die Gegentakt-Endstufe zweier Röhren. Ähnlich wie bei Transistoren ergänzen sich die Röhren bei der Wechselspannungssteuerung: Öffnet die obere, so schließt die untere und umgekehrt. Dieses Wechselspiel erfolgt kontinuierlich mit den Augenblickswerten, da die Steuerung ja kein Schalterbetrieb (voll auf - voll zu), sondern stetige Steuerung mit mehr oder weniger Spannung und Strom darstellt.

Betriebsarten: Bei A-Betrieb liegt der Arbeitspunkt zur Einstellung der Ruheströme etwa in Mitte von Maximalstrom und Maximalspannung. Dagegen bedeutet AB-Betrieb, dass der Arbeitspunkt der Röhren bei deutlich weniger Ruhestrom liegt. Dadurch ist die Stromwärmeleistung im Ruhezustand geringer. Es gibt dann noch den B-Betrieb, wobei der Arbeitspunkt etwa bei Kollektorstrom null eingestellt ist. Und dann ist zu unterscheiden, ob man als Endstufe eine Röhre allein oder zwei Röhren im Gegentakt verwendet, wie dies hier geschehen ist. Dadurch wird die abgegebene Leistung größer.

Handelt es sich bei den gezeichneten Endröhren um die schon genannte EL 84, so sind laut Datenblatt deren typische Werte in einer AB-Gegentaktschaltung: Ua = 250 V Anodenspannung, Katodenwiderstand Rk = 270 Ω, der Anodenstrom Ia = 20 mA, Leistungsaufnahme im Ruhezustand 3,4 W und ein doch beachtlicher Klirrfaktor von 2,5%. (Der Klirrfaktor gibt an, wieviel Prozent an zusätzlichen Oberschwingungen in der Röhre erzeugt werden, die im Steuersignal nicht vorhanden sind.)

Über die Widerstände Rg1 und Rg2 fließt praktisch kein Strom, sie übertragen das Nullpotential zum stromlosen Steuergitter g1, das gegen die postiv eingestellten Katode negativ vorgespannt ist.
Grenzdatendes des AB-Betriebs: 12 Watt maximale Dauerleistung der Einzelröhre, maximale Anodenspannung Ua = 300 V. Natürlich gibt es auch die schaltungstechnische Möglichkeit, jeweile zwei Röhren in AB-Betrieb gegen einander arbeiten zu lassen; aber auch dann ist ein Ausgangsübertrager nicht zu entbehren.

Durch die AB-Gegentaktschaltung beider Röhren schafft man es, bis zu 20 W Wechselleistung zu erzeugen. Allerdings - und jetzt kommt der Haken - bei der hohen Spannung und der geringen Stromstärke ist unbedingt immer ein Ausgangstransformator (Übertrager) erforderlich. Und der bringt zweifach Nachteile: Einmal durch die Nichtlinearität der Hystereseschleife, zum anderen da ein solcher Übertrager für niedere und für hohe Frequenzen durch seine Wicklungskapazitäten Frequenzbeschränkungen mit sich bringt. Zwar kann die Nichtlinearität teilweise durch Luftspalt und Ferrite als Kernmaterial verringert werden, dennoch bleibt die Frequenz- und Phasenabhängigkeit der Übertragungseigenschaften. Wir müssen daher das Ersatzbild eines Übertragers näher ansehen.

Dieses Ersatzbild ist ein physikalisches Modell für die Vorgänge in einem Übertrager. Man erkennt oben im Längszweig L1s, die Streuinduktivität der Primärseite und L 2s, diejenige der Sekundärseite, das sind Ersatzinduktivitäten für jene magnetischen Feldlinien, die nicht zur Kopplung der beiden Seiten beitragen; dann sieht man R1Cu und R2Cu, die beidseitigen ohmschen Wicklungswiderstände. In den Querzweigen sind C1 und C2 diejenigen Wicklungskapazitäten, die durch einander benachbarte Windungen mit Spannungsunterschieden zusammengefasst werden. Schließlich die Hauptsache eines Übertragers: Die transformierenden Teile der beiden Wicklungen; das sind auf der Seite 1 die primäre Hauptinduktivität L1h, auf der Seite 2 die sekundäre Hauptinduktivität L2h. Für sie gilt der Zusammenhang der Transformation: U1h:U2h = w1:w2. Dabei ist U1h kleiner als U1, da die Größen im Längszweig bei Stromfluss I1 die Spannung U1 reduzieren. Ebenso ist U2 kleiner als U2h wegen des Stromflusses I2. Bei kurzschlussnahem Betrieb verhalten sich die Ströme I1 : I2 = w2:w1, nicht jedoch bei Leerlauf, wo I2 = 0 ist!

Was bei Röhren-Endstufen stört, sind die Wicklungskapazitäten C1 und C2 des Übertragers. Sie bewirken zusammen mit den Wicklungsinduktivitäten einerseits frequenzabhängige Phasendrehungen, andererseits bei hohen Frequenzen einen Abfall Amplitudenganges. Das heißt, dass das Nachlassen der Verstärkung in den Endstufen bei höheren Frequenzen durch den Übertrager noch zunimmt.

4. Zusammenfassung

Während Transitorverstärker sowohl mit ihren Spannungen als auch mit ihren Stromstärken optimal an Boxen angepasst sind, müssen Endröhren wegen ihrer hohen Ausgangsspannungen bei zugleich geringen Strömen mittels eines frequenzabhängigen Übertragers mit all seinen Nachteilen an Boxen angepasst werden. Zugleich ist zu bedenken, dass Röhren infolge ihrer beheizten Katoden schneller altern als Transistoren, wodurch die Qualität eines Verstärkers weiter eingeschränkt wird. Alle diese Nachteile werden durch Rückkopplung und Verringerung der Verstärkung in den Ausgangsstufen nur quantitativ, nicht aber qualitativ verbessert. Insofern ist die Röhrentechnik eindeutig als eine veraltete Technik für audiophile Benutzer anzusehen.

Literatur
H. Barkhausen, Elektronen-Röhren, Bd. 1 bis 4, Hirzel Verlag Leipzig, 1954
U. Tietze / Ch Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik, 12. Auflage, Springer 2006
VALVO Daten- und Kennlinienblatt EL 84, Internet
Vorlesungsskripten, Universität Karlsruhe